Nehmen wir einmal an, dass in nächster Zeit eine Wahl anstünde und wir die Wahl mit stochastischen Mitteln prognostizieren wollen. Beispielsweise könnte man die Antwort eines Teilnehmers einer Wahlumfrage mit einer Zufallsvariable modellieren. Üblicherweise reicht es allerdings nicht aus, nur eine Person zu befragen.
Also brauchen wir für die Antworten weiterer Umfrageteilnehmer ebenfalls Zufallsvariablen . Wollen wir diese Zufallsvariablen nicht einzeln betrachten und unsere Stichprobe lieber als Ganzes betrachten, so können wir die Ergebnisse in einem Vektor bündeln. Dies bringt uns auf natürliche Weise zu dem Konzept von Zufallsvektoren.
Definition 5.1 (Zufallsvektor) Es seien Zufallsvariablen auf einem Wahrscheinlichkeitsraum gegeben. Dann nennen wir Zufallsvektor mit Komponenten . Wir nennen diskret bzw. absolutstetig, falls alle Komponenten diskret bzw. absolutstetig sind.
Glücklicherweise übertragen sich viele Konzepte aus dem Ein- ins Mehrdimensionale. Im diskreten Fall sprechen wir nun statt einer Zähldichte von einer gemeinsamen Zähldichte . Analog dazu gibt es im absolutstetigen Fall auch eine gemeinsame Dichtefunktion . Ebenso gibt es auch wieder die Verteilungsfunktion Für unabhängige Zufallsvariablen lässt sich dies noch vereinfachen.
Theorem 5.1 Es sei ein Zufallsvektor mit Komponenten . Nun sind genau dann unabhängig, wenn für alle .
Bemerkung 5.1 Im diskreten Fall bedeutet dies, dass die gemeinsame Zählzähldichte von in das Produkt der (Rand-)Zähldichten von zerfällt. Im absolutstetigen Fall passiert das gleiche bzgl. der gemeinsamen Dichtefunktion und den Randdichtefunktionen von . Üblicherweise arbeitet man im Mehrdimensionalen überwiegend mit der Zähldichte und Dichtefunktion, da diese einfacher zu handhaben sind und die Verteilungsfunktion eindeutig charakterisieren.
Falls die Zufallsvariablen abhängig sind, so lässt sich auf den ersten Blick keine sinnvolle Aussage bzgl. dem Zusammenhang zwischen gemeinsamer Verteilungsfunktion und den Randverteilungsfunktionen treffen. Insbesondere lässt sich kein einfacher Schluss von den Randverteilungen auf die gemeinsame Verteilung ziehen. Dazu fehlt uns nämlich die Abhängigkeitsstruktur zwischen den einzelnen Zufallsvariablen. Andersherum lässt sich nach Kenntnis der gemeinsamen Verteilung glücklicherweise viel über die Randverteilungen sagen.
Theorem 5.2 Es sei ein Zufallsvektor mit Komponenten und gemeinsamer Zähldichte bzw. gemeinsamer Dichtefunktion . Dann gilt für alle bzw.
Letztendlich bedeutet Gleichung , dass wenn man sich für die Randwahrscheinlichkeit interessiert, lediglich die Wahrscheinlichkeiten aller Ereignisse summieren muss, die mit dem Ereignis konform sind. Dementsprechend lässt sich Gleichung als infinitesimale Version von Gleichung verstehen. Die beiden Gleichungen kann man auch auch so interpretieren, dass man die überflüssigen Variablen “rausintegriert’’ bzw. im diskreten Fall ”raussummiert’’.
Die Idee, die Wahrscheinlichkeit eines beliebigen Ereignisses über die Summation bzw. Integration von mit konformen Mengen und der gemeinsamen (Zähl-)dichte zu berechnen, findet man oft in der Stochastik. Beispielsweise wird diese Technik auch für die Bestimmung der (Zähl-)Dichte von Funktionen von Zufallsvariablen genutzt.
Beispiel 5.1 Es seien und zwei beliebige Poi()-verteilte Zufallsvariablen, wobei . Da f.s., ist ebenfalls f.s..
Wollen wir nun die Dichte der Zufallsvariable , d.h. die Wahrscheinlichkeit für alle , berechnen, so müssen wir lediglich die Wahrscheinlichkeiten aller möglichen Kombinationen summieren, in denen . Somit berechnen wir
Da wir an dieser Stelle die Abhängigkeitsstruktur von und nicht kennen (da wir nur die Randverteilungen angegeben haben), können wir leider nicht weiterrechnen. Nehmen wir zusätzlich an, und wären unabhängig, so zerfällt die gemeinsame Zähldichte in das Produkt der Randdichten und wir könnten den Ausdruck in Gleichung weiter vereinfachen.
Die in Beispiel 5.1 illustrierte Vorgehensweise ist natürlich nicht nur für Poissonverteilte Zufallsvariablen gültig. Im Allgemeinen können wir das folgende Theorem formulieren:
Theorem 5.3 Seien und zwei absolutstetige Zufallsvariablen mit Dichte und und gemeinsamer Dichte . Dann gilt: